Darmgesundheit, das Darm-Mikrobiom und die Darm-Hirn-Achse

Fünfeinhalb bis siebeneinhalb Meter lang, wenige Zentimeter im Durchmesser und von mehr als 100 Millionen Nervenzellen umgeben: Der Darm ist unser größtes inneres Organ. Wer an den Darm denkt, denkt fast automatisch auch an die Verdauung – oder besser gesagt, einen Teil davon.

Ja, ein gesunder Darm ist wichtig, um Lebensmittel optimal zu verdauen und alle Nährstoffe aus unserer Nahrung aufnehmen zu können. Doch unser Darm kann noch so viel mehr: Er kommuniziert mit allen anderen Organen und ist für die Gesundheit unseres Herzens, unserer Nieren und unseres Gehirns von wesentlicher Bedeutung. Darüber hinaus befinden sich in darin etwa 70 Prozent unserer Immunzellen – ein gesunder Darm ist also Voraussetzung für ein starkes und belastbares Immunsystem. 

Ein kurzer Einblick in die Verdauung

Verdauung beginnt nicht erst im Magen oder Darm, sondern bereits im Mund. Sobald wir unsere Lebensmittel gut(!) gekaut und geschluckt haben, gelangen sie über die Speiseröhre in unseren Magen. Dort wird das Essen durch Muskelbewegungen weiter zerkleinert und mit verschiedenen Säuren vermischt, wodurch es zersetzt wird. Zudem werden schädliche Bakterien abgetötet, die ansonsten weiter in unseren Körper vordringen und Krankheiten verursachen könnten. 

Nachdem die Nahrung eine breiartige Konsistenz hat, gelangt diese in den sechs Meter langen Dünndarm, wo die meisten Nährstoffe – unter anderem Kohlenhydrate, Fette und Proteine – verdaut werden und anschließend vom Darm ins Blut gelangen, um so unsere Zellen versorgen zu können. Einige der Nährstoffe, die im Dünndarm nicht verdaut werden, gelangen weiter in tiefere Darmabschnitte und somit in den Dickdarm – Hauptnährstoffe sind in diesem Fall die für den Menschen nicht verdaulichen Ballaststoffe. 

Sobald diese Ballaststoffe die im Dickdarm angesiedelten Darmbakterien erreichen, werden sie von den dort lebenden Mikroben verarbeitet und fermentiert. Bei diesem Fermentationsprozess entstehen eine Reihe verschiedener Chemikalien, die unsere Darmschleimhaut stärken und über die Darm-Hirn-Achse mit dem Gehirn kommunizieren. Als Nebenprodukt einer Fermentation entstehen zudem auch immer Gase; ein wenig Gas im Darm ist also etwas ganz Normales und ein Zeichen für einen gut ernährten Darm. 

Das Darm-Mikrobiom

Im Dickdarm, dem unteren Teil unseres Verdauungstrakts, leben also Billionen von Mikroben – hauptsächlich Bakterien. Diese Bakterien, die zahlenmäßig sogar einen größeren Teil unseres Körpers ausmachen als menschliche Zellen, ergeben zusammen ein virtuelles Organ: das Darm-Mikrobiom. Sie kommunizieren direkt mit unserem Gehirn, beeinflussen unsere Herz- und Nieren-Gesundheit und sind für eine bessere Allgemeingesundheit verantwortlich. Unsere guten Bakterien sollten also besonders gut versorgt werden. Aber wie? 

Unser Darm-Mikrobiom ist ein erworbenes Organ; wir werden nicht damit geboren, es entwickelt sich im Laufe der Zeit. Den ersten Kontakt mit diesen Mikroben haben wir bereits bei der Geburt und kurz danach: Babys, die vaginal geboren werden, sind bei der Geburt einer Vielzahl an Bakterien ausgesetzt, die sich gleich zu Beginn im Darm des Babys ansiedeln können und zu einem vielfältigen Spektrum an Darmbakterien führen. 

Die allererste Möglichkeit, diese Vielfalt weiter zu vergrößern, ist Muttermilch. Muttermilch enthält lebende Bakterien – Probiotika – und ebenso Präbiotika, die Nahrung unseres Darm-Mikrobiom darstellen. Stillen hilft dem Baby also bestens beim Aufbau seines Darm-Mikrobioms, da es einerseits einer Fülle dieser Bakterien ausgesetzt wird und andererseits die bereits vorhandenen Darmbakterien optimal gefüttert werden. Zudem haben Kinder, die gestillt wurden, im späteren Leben ein geringeres Risiko für Hautekzeme, chronische Darmerkrankungen, Mittelohrentzündungen, Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2. 

Sobald das Baby dann beginnt, feste Nahrung zu sich zu nehmen, entwickelt sich das Darm-Mikrobiom durch unterschiedlichste Lebensmittel immer weiter. Außerdem nehmen Babys durch herumkrabbeln und “im Dreck spielen” weitere unzählige Bakterien aus der Umgebung auf, wodurch die Vielfalt des Mikrobioms ebenfalls erweitert wird. Studien zeigen, dass Babys mit einem vielfältigen Darm-Mikrobiom eine bessere Darmgesundheit und somit ein geringeres Risiko für Allergien und Fettleibigkeit im späteren Leben haben. 

Im Alter von ungefähr drei Jahren reguliert sich das Darm-Mikrobiom und beginnt in etwa so auszusehen, wie es später im Erwachsenenalter sein wird. Und obwohl die ersten drei Lebensjahre eine große Rolle für die optimale Entwicklung unseres Darm-Mikrobioms spielen, verändert es sich dennoch stetig; sowohl positiv als auch negativ – je nachdem, welchen Dingen wir unsere Darmbakterien aussetzen: Eine ballaststoffreiche Ernährung auf pflanzlicher Basis verbessert unser Darm-Mikrobiom, ebenso wie Lebensmittel mit hohem Polyphenolgehalt (Beeren, Äpfel, Zwiebel, grüner Tee). Zudem befinden sich in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi und Kombucha eine Vielzahl guter Bakterien, die unser Mikrobiom positiv beeinflussen können. Und bei Reisen in verschiedene Länder kommen wir nicht nur mit anderen Menschen und Kulturen in Kontakt, sondern auch mit neuen Lebensmitteln und Mikroben. 

Das Darm-Mikrobiom kann aber auch geschädigt werden: Antibiotika töten nicht nur Krankheitserreger, sondern auch die guten Bakterien, die sich in unserem Körper befinden. Auch diverse andere Medikamente können einen Einfluss auf das Darm-Mikrobiom haben. Zuckerfreie Produkte mit künstlichen Süßstoffen oder stark verarbeitete Nahrungsmittel mit verschiedensten Zusatzstoffen und Stabilisatoren wirken sich ebenfalls negativ auf unsere Darmbakterien aus (wobei Forschungen diesbezüglich noch am Anfang stehen und noch nicht genau gesagt werden kann, wie stark diese Auswirkungen tatsächlich sind). Zudem kann sich jede Art von restriktiver Ernährung auf unser Darm-Mikrobiom auswirken: werden Lebensmittelgruppen vom Speiseplan gestrichen, reduziert sich auch die Menge und Vielfalt an aufgenommenen Ballaststoffen und somit die Nahrung unserer Darmbakterien.

Ist Zucker schlecht für unsere Darmbakterien?

Zucker wird bereits im oberen Teil des Dünndarms verarbeitet und aufgenommen und gelangt nicht zu unseren Darmbakterien im Dickdarm, da er bereits vorher absorbiert wird. Klassischer Haushaltszucker wirkt sich also nicht direkt negativ auf unser Darm-Mikrobiom aus; das bedeutet aber nicht, dass Zucker im Übermaß gegessen werden kann: Durch ein zu viel an Zucker wird das Darm-Mikrobiom indirekt geschädigt, da der Körper eventuell keine ausreichende Menge der anderen benötigten Nährstoffe erhält und die Darmbakterien nicht optimal versorgt sind. Eine kleine, gelegentliche Menge an zugesetztem Zucker ist für das Darm-Mikrobiom jedoch verträglich. 

Darmgesundheit und Ballaststoffe

Für die Darmgesundheit sind Ballaststoffe von wesentlicher Bedeutung: Ballaststoffe sind die Hauptnahrung unserer Darmbakterien und befinden sich in Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Obst und Gemüse. 

Bei dem Wort “Ballaststoffe” wird meist nur an einen einzelnen Nährstoff gedacht; tatsächlich gibt es jedoch fast 100 verschiedene Arten von Ballaststoffen, von denen jeder für andere Funktionen im Körper zuständig ist und auch unterschiedliche Arten von Darmbakterien ernährt. Eine abwechslungsreiche, pflanzliche Ernährung ist also wichtig, um eine Vielzahl an Ballaststoffen und in weiterer Folge Darmbakterien zu erhalten. 

In einer Studie mit 11.000 Menschen wurde deren Darm-Mikrobiom untersucht und es konnte festgestellt werden, dass die Menschen mit dem gesündesten Darm jene waren, die innerhalb einer Woche mehr als 30 verschiedene pflanzliche Lebensmittel zu sich genommen haben. Das klingt zunächst einmal viel, doch dazu zählen nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Nüsse, Saaten, Getreide, Hülsenfrüchte, Kräuter und Gewürze. Die Vielfalt der pflanzlichen Lebensmittel war dabei viel ausschlaggebender als eine vegane, vegetarische oder omnivore Ernährung. 

Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegt bei 30 g Ballaststoffen pro Tag – die durchschnittliche Aufnahme liegt in Österreich jedoch nur bei etwa 21 g. Studien zeigen, dass sogar bis zu 50 g Ballaststoffe pro Tag gesundheitliche Vorteile bringen. Sie beugen Verstopfungen vor, unterstützen die Verdauung und senken das Risiko vieler Krankheiten. Und sie helfen unseren Darmbakterien, das Glückshormon Serotonin zu produzieren, von dem 90 Prozent in unserem Darm hergestellt werden. Wichtig ist jedoch, den Darm langsam an eine höhere Ballaststoffmenge zu gewöhnen, da es sonst – durch den erhöhten Fermentationsprozess der Darmbakterien – zu Blähungen oder anderen Darmbeschwerden kommen kann. 

Verdauungsprobleme und Stress

Ein weiterer wichtiger Bereich der Darmgesundheit ist Stressabbau. Stress aktiviert unser sympathisches Nervensystem – auch bekannt als “Fight or Flight” – wodurch der Adrenalinspiegel erhöht und das Blut weg vom Verdauungssystem, hin zum Herzen und den Muskeln transportiert wird. Dadurch wird die Verdauung verlangsamt, was bei einem lang anhaltenden Zustand zu dauerhaften Darmproblemen führen kann. Stress-Regulation ist daher ein weiterer Schlüssel für einen gesunden Darm – sei es durch Yoga, Achtsamkeitsübungen oder Meditation. 

Besonders durch Yoga kann unser parasympathisches Nervensystem – auch bekannt als “Rest and Digest” – aktiviert werden. Die tiefe Atmung entspannt sowohl den Körper als auch die Darm-Hirn-Achse und lässt das Blut wieder zu den Verdauungsorganen fließen. Durch sanfte Dehnungen kann zudem ein übermäßig stimulierter Darm beruhigt werden. Darüber hinaus kann auch Bewegung generell die Diversität der Darm-Mikroben erhöhen.

Die Darm-Hirn-Achse

Unser Darm-Mikrobiom produziert Tausende von Chemikalien sowie die Hälfte aller Vitamine und Nährstoffe, die sich in unserem Körper befinden. Es ist für die Verdauung verantwortlich, steuert Allergien und ist für unser gesamtes Immunsystem wichtig. Über den Vagusnerv (den größten Nerv des Parasympathischen Nervensystems, der an der Regulation vieler innerer Organe beteiligt ist) beeinflusst das Darm-Mikrobiom mit Hilfe von Immun-, Hormon- und Neurotransmitter-Signalen unser Gehirn: über die Darm-Hirn-Achse besteht eine ständige Kommunikation. Die vom Darm produzierten Chemikalien interagieren mit unserem Gehirn und sind dafür verantwortlich, ob wir glücklich oder traurig, hungrig oder satt sind. 

Doch diese Kommunikation geht in beide Richtungen; das ist auch der Grund, warum Stress einen erheblichen Einfluss auf den Darm hat und die Darmmotilität verändert.

Laut aktuellen Forschungsergebnissen spielt die Kommunikation unserer Darm-Mikroben mit unserem Gehirn auch für unsere mentale Gesundheit eine große Rolle. In einer Studie wurde untersucht, ob Probiotika – also gute Bakterien – eine Auswirkung auf das Gehirn haben: an Depressionen leidende Testpersonen wurden in zwei Gruppen geteilt, von denen eine ein Probiotikum, die andere ein Placebo erhielt. Nach sechs Wochen täglicher Einnahme konnte mittels MRT-Scans herausgefunden werden, dass bei der Probiotika-Gruppe als Reaktion auf negative Bilder andere Teile des Gehirns stimuliert wurden als in der Vergleichsgruppe. Das heißt, dass unser Darm-Mikrobiom die Fähigkeit hat, unsere Resilienz gegenüber negativen Bildern und Emotionen zu verändern.

Unser Darm ist also an einer Vielzahl an Prozessen in unserem Körper beteiligt. Um diese Prozesse optimal zu unterstützen und unseren Darm gesund zu halten, ist es wichtig, eine ausgewogene Ernährungsweise zu finden, die reich an unterschiedlichsten Arten von Obst und Gemüse, Nüssen und Samen, Hülsenfrüchten und Getreide ist. Diese pflanzlichen Lebensmittel haben eine positive Auswirkung auf unsere physische und psychische Gesundheit und enthalten eine große Vielfalt an Ballaststoffen, die unser Darm-Mikrobiom optimal pflegen. 

Quellen:

Rossi, Megan (2019): Eat yourself healthy: An easy-to-digest guide to health and happiness from the inside out (E-Book). London: Penguin Random House UK. 

Mills, Ella, Rossi, Megan (11.09.2018): The Gut; Why it Matters. Deliciously Ella Audio Podcast. https://open.spotify.com/episode/3TvBcQYixnJTuVa5ud5izO 

Mills, Ella, Rossi, Megan (24.09.2019): How To Have A Healthy Gut. Deliciously Ella Audio Podcast. https://open.spotify.com/episode/1E6zEeOvYF6AONDI5NY6bs 

Mills, Ella, Spector, Tim (19.11.2019): Diet Myths. Deliciously Ella Audio Podcast. https://open.spotify.com/episode/6mtP7uIIgjjRlHvELvqz73 

Gießelmann, Kathrin (2016): Frühkindliche Ernährung: Die ersten 1000 Tage entscheiden.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/183216/Fruehkindliche-Ernaehrung Die-ersten-1000-Tage-entscheiden (Stand: 05.06.2024)

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Österreichischer Ernährungsbericht 2017.
https:// broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=528 (Stand: 05.06.2024) 

Katrin

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Was ist gesunde Ernährung?